ÜBER ZEIT UND LANDSCHAFT AN DER LAINSITZ VON 1900 BIS 2008

Die beiden 2001 und 2008 am österreichisch-tschechischen Grenzübergang Gmünd – České Velenice entstandenen Aufnahmen, die in der Montage der Fotografie „Blick von der Lainsitzbrücke“ zu sehen sind, spannen einen weiten Bogen über einen historisch sehr bewegten Zeitraum. Die Lainsitzbrücke bei Bleyleben wurde um 1900 von der N.Ö. Waldviertelbahn AG gebaut. Sie verband die nördliche, von Gmünd ausgehende Trasse der Waldviertler Schmalspurbahn, mit der Franz-Josefs-Bahn, der wichtigsten Nord-Südverbindung der Donaumonarchie.

Der Anschluss an das europäische Eisenbahnnetz bedeutete damals den wirtschaftlichen Aufschwung für die gesamte Region. Nach dem Zerfall der Donaumonarchie wurde mit der Grenzziehung in der Mitte der Lainsitz Gmünds nördlicher Stadtteil, das nunmehrige České Velenice, der Tschechoslowakischen Republik zugesprochen. Hier befand sich der Bahnhof und die Zentralwerkstätte der Franz-Josefs-Bahn. Somit verlor die geteilte Stadt Gmünd nicht nur ihren wichtigsten Bahnhof, sondern auch die Lainsitzbrücke bei Bleyleben, sowie Streckenabschnitte der Nordverbindung der Schmalspurbahn. Dies hatte Korridorverkehr zur Folge, den der spätere Nachfolgestaat, die CSSR, infolge der politischen Entwicklungen nach 1945 beenden wollte. So finanzierte die CSSR die Verlegung der nördlichen Bahntrasse auf das österreichische Staatsgebiet östlich der Lainsitz. Am 19. Dezember 1950, unmittelbar nach Fertigstellung der Trasse, lies die CSSR alle Schmalspurbahnanlagen zwischen Gmünd und České Velenice auf. Die Eisenbahnbrücke wurde zur Fußgängerbrücke, an deren Beginn oder Ende die Container der Grenzposten standen. Der Eiserne Vorhang verunmöglichte letztlich auch die alltägliche Benutzung der Brücke für den kleinen Grenzverkehr.

Bald nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 überquerten die BewohnerInnen beider Städte auf ihren grenzüberschreitenden Spaziergängen wieder die Lainsitzbrücke. Dem EU-Beitritt Tschechiens am 1. Mai 2004, mit der Abschaffung der Zollkontrolle, folgte am 21. Dezember 2007 die Aufnahme in den Schengen-Raum und damit die Abschaffung der Personenkontrollen. Diese weitreichenden Veränderungen führten zu neuen Abläufen im Alltag, sowie zur erneuten Umgestaltung der Landschaft in diesem Grenzgebiet. 2001 war mir das Installieren der Rechen auf tschechischem Staatsgebiet ohne Pass noch nicht möglich. Der Blick nach České Velenice war von dichter Vegetation verdeckt. Die nun schon häufig benutzte Brücke schien ohne Pflege dazustehen. 2008 sind nun die Container der Grenzposten verlassen und die Brücke ist saniert. Der Zugang in České Velenice wurde ausgeholzt und zu einer richtigen Promenade umgestaltet. Auf der österreichischen Seite erfolgte eine Vergrößerung des nahen Parkplatzes, eine erweiterte Nutzung des dabei befindlichen Areals als Festplatz Bleyleben, sowie die Errichtung einer Crossstrecke für BMX-Fahrer und Mountainbiker. Das Areal bei der Lainsitzbrücke ist heute ein beliebter Veranstaltungsort für grenzüberschreitende Veranstaltungen verschiedenster Art.

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Die Lainsitzbrücke mit Blick Richtung České Velenice am 5.Mai 2001 und 2.Dezember 2008

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Der österreichische Grenzcontainer am 5.Mai 2001 und 2.Dezember 2008